Als ich bei einem Unternehmen gearbeitet habe, sagte mir mein Abteilungschef am ersten Tag, wenn ich ein Problem haben sollte, solle ich zu ihm kommen. Ironischerweise wurde er zu meinem größten Problem.
Er hat in wenigen Tagen die Kontrolle über mein Leben übernommen. Am Anfang fing er "nur" mit kleinen netten Gesten. Er bot mir Süßigkeiten an. Holte für mich extra Red Bull oder Kaffee. Nach einigen Tage wurde seine Schlinge der Kontrolle enger und enger.
"Wo wohnst du?""... Linden..." "Ah, das ist auf dem Weg! Ich fahre dich nach Hause" "... Ne, Ich wohne eigentlich in Königsworther Platz, aber danke." "Ah! das ist auch auf dem Weg! Ich fahre dich nach Hause" "... emm... ne, ist schon ok. Ich fahre gerne Bahn!" "Ich fahre dich nach Hause" !-"...emm...ok"- (...) - "Wann musst du morgen arbeiten? Um 10:00? Ah, ich auch. Ich hole dich morgen ab!"
Er hat seine Schichten an meine angepasst. Seine freien Tage auf meine gelegt und meine Pausen kontrolliert, damit wir er sie auch mit mir verbringen konnte. Er wollte wissen, mit wem ich gesprochen habe, und mit wem ich Zeit verbringe. Ich versteckte mich zunehmend auf im Umkleiderraum der Frauen. Dem einzigen Ort wo ich vor ihm Ruhe hatte.
Sobald ich seinen starken Geruch seines Perfüms merkte, wusste ich, dass er in der Nähe ist. Ich musste weg! Mich verstecken!
"Ein Kaugummi?" "Nein, danke!" "Du willst nicht?" "Nein, sehr nett, aber ich mag grade nicht." "Wieso nicht? Gib mir deine Hand - Hier, bitte." "Ehmm, ja... danke."
Er wollte mich isolieren. Zwang sich mir auch im privaten auf. Ich saß beim Früstucken zu Hause und er klingelte schon. Er war die erste Person, die ich nach dem Frühstück gesehen habe und der letzte, bevor ich ins Bett gegangen bin. Auf der Arbeit wollte er nicht, dass ich mit andere Kollegen*innen spreche. Er bestrafte mich, wenn ich mit anderen männlichen Mitarbeiter gelacht habe. Einem Mitarbeiter wurde fast wegen seiner Eifersucht gekündigt.
Ich sollte mich schuldig und dankbar fühlen. Ich sollte ihn als mein Held sehen. Ich hatte angst, fühlte mich machtlos. Ich brauchte die Arbeit wegen meiner finanzielle Situation. Ich wurde wüttend auf mich selbst, weil ich nichts machen konnte. Die Rose, die ich am Frauentag bekommen habe, war eher ein Witz. Wer sollte mir Helfen? Es gab keine Chefin. Mein Chef war das Problem. An ihn konnte ich mich nicht wenden.
Diese Arbeit ist der Versuch meine Fassungslosigkeit in eine Form zu bringen.